Hifi-Apps Speaker Setup bietet die Möglichkeit das interne Mikrofon eines Android Gerätes zu eichen. Um es direkt zu sagen: Ein selbst geeichtes Handy Mikrofon ist kein Messmikrofon. Ohne Kenntnis der Einschränkungen ist es nicht als Messsystem einsetzbar. Trotzdem kann sich die Kalibrierung durchaus lohnen. Für Messungen zur Optimierung der Raumakustik ist genaues Messequipment weniger wichtig als bei anderen Messungen: Der genaue Frequenzgang ist hier nur eine von vielen aussagekräftigen Größen und sicher nicht die wichtigste.

Hintergrundwissen

Mikrofonkalibrierung erfordert viel Erfahrung und macht beispielsweise den Großteil des mehr als 300 seitigen Buches [Handbook of Condenser Microphones] oder der Dissertation [Bouaoua] aus. In Deutschland forscht und entwickelt die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) Mehtoden dafür. Um auch im Hausgebrauch reproduzierbare Ergebnisse mit überprüfbarer Genauigkeit zu erzielen, muss zumindest Folgendes berücksichtigt werden:

  • Mit "Mikrofon" ist hier immer Druckmikrofon gemeint, bei "Messmikrofonen" wird von einer Kugelcharakteristik ausgegangen.
  • Jedes Mikrofon (auch mit Kugelcharakteristik) reagiert möglicherweise unterschiedlich je nach Richtungsverteilung des einfallenden Schalls [IEC 61094-7], [Walber]. Man unterscheidet zwischen
    • Freifeld (der Schall kommt von einer nahezu punktförmigen Quelle aus definierter Richtung, Reflexionen sind zu vernachlässigen. Eines sog. Freifeldmikrofon ist so, mit Schall von vorne, geeicht worden und sollte auch so eingesetzt werden.)
    • Diffusfeld (der Schall kommt durch Reflexionen an den Wänden "von überall her")
    • Druck (Diese Methode wird bei der Herstellung verwendet [Wikipedia]. Das Mikrofon wird dazu in einen geschlossenen Behälter gebracht. Darin werden bekannte Druckänderungen erzeugt, z.B. durch einen motorisch bewegten Kolben oder einen elektrostatischen Aktuator).
    Die Frequenzgänge laufen je nach Methode und Einfallsrichtung des Schalls ab 1 kHz auseinander, bei 3 kHz ist der Unterschied bis zu 1 dB, bei 10 kHz kann er mehr als 10 dB sein. Im Allgemeinen sind die englischen Fachausdrücke gebräuchlich: Pressure Calibration, Calibration by Free-Field Response, Random Incidence and Diffuse-Field Calibration
  • Damit verbunden gibt es verschiedene technische Vorgehensweisen [Nedzelnitsky], [Wikipedia]. Hier verwendet wird die Vergleichskalibrierung (Comparison calibration):
Zur Vergleichskalibrierung muss neben dem eingebauten Mikrofon ein Messmikrofon (leihweise) verfügbar sein. Ein geeignetes Schallfeld wird nacheinander mit beiden Mikrofonen in geeigneter Weise gemessen. Aus dem Unterschied der Ergebnisse werden die Kalibrierungsdaten gewonnen. Dabei sollte berücksichtigt werden, dass bei der Herstellung i.d.R. eine Druck-Kalibrierung erfolgt, der internationale Standard IEC 60268-4 Messungen im Freifeld fordert und die Messungen beim Einsatz von Hifi-Apps aber im Diffusfeld erfolgen. Aus diesem Grund werden die Methoden hier so gut es mit einfachen Mitteln geht verglichen. Ziel des Vergleichs ist eine sichere Abschätzung der systematischen Fehler bei Kalibrierung im heimischen Diffusfeld.

Statement

In manchen Diskussionen werden Messungen mit dem eingebauten Handymikrofon als "Spielerei" abgetan, ein Messmikrofon dagegen mit "Professionalität" verknüpft. Das eine eher emotionale Aussage; entscheidend ist, welche Anforderungen zu erfüllen sind: So spielen bei Vergleichsmessungen zwischen verschiedenen Hörplätzen die (relativen) Unterschiede oft eine viel größere Rolle als die (absolute) Genauigkeit der Werte. Auch die gemessene Nachhallzeit hängt kaum vom verwendeten Mikrofon ab.

Der Frequenzgang des eingebauten Mikrofons ist zwar nicht linear, hat aber i.d.R. unterhalb von 4000 Hz keine für Raumakustik typischen "Dellen". Mit anderen Worten sind solche Dellen mit Sicherheit auf den Raum und nicht auf das Mikrofon zurückzuführen. Viele wichtige raumakustische Effekte lassen sich also erkennen. Nach der hier beschriebenen Eichung mit Hausmitteln ist auch der Frequenzgang und die Richtungsabhängigkeit des Handy Mikrofons gut genug bekannt, um aus Messergebnissen Erkenntnisse für weitere Entscheidungen zu gewinnen.

Die Abbildung zeigt beispielhaft den Vergleich von Frequenzgang und Impulsantwort zweier Martin Logan Classic ESL 9 Lautsprecher an verschiedenen Hörplätzen in einem überdurchschnittlich gedämmten Raum. Die oberen Kurven sind mit dem ungeeichten Mikrofon eines CAT S60 Handys gemessen, die unteren mit einem geeichten Messmikrofon: Es ist erkennbar, wie viel wichtiger das Zusammenspiel von Lautsprecher und Raum für die Ergebnisse ist als das jeweilige Mikrofon. (Das darf natürlich keinesfalls zu dem Schluss verleiten, dass jede Messung mit Handy-Mikrofonen möglich ist.)

Bevor man anfängt

Bei meinen ersten Versuchen mit Handy-Mikrofonen zeigte sich extremer Bassabfall, wie er auch bei einem ungeeichten Mikrofon nicht zu erwarten ist. Der Grund ist leicht zu finden, wenn man ein altes Headset in eine "Loopback" Schleife umfunktioniert, also das Ausgangssignal direkt in den Mikrofoneingang führt:
loopback cable

Loopback Schaltung für Android Geräte mit 3,5mm Klinke. Die Schaltung führt das Kopfhörersignal zurück zum Mikrofoneingang. Die 3k Widerstände scheinen (auch) nötig zu sein, damit das Handy auf "externes Mikrofon" umschaltet. Der Frequenzgang ist dann mit Hifi-Apps per Logsweep messbar. Siehe auch https://source.android.com/devices/audio/latency/loopback

loopback frequency response Frequenzgang per Loopback mit Hifi-Apps gemessen. Gelb, blau: Lenovo P10400, schwarz: CAT S60. Logsweep 20 Hz - 20 kHz, 2 sec, nur gelbe Kurve 15 Hz - 20 kHz, 10 sec.

Der Frequenzgang des "reinen Gerätes" ohne Mikrofon fällt im Bassbereich stark ab, vielleicht um Windgeräusche bei Telefonaten zu unterdrücken. Der Abfall oberhalb von 10 kHz beim Lenovo Tablet fällt bei der späteren Beurteilung weniger ins Gewicht: korrekturbedürftige Höhenverluste durch "mumpfige" Räume fangen schon früher an und sind außerdem auch ohne Messung leicht wahrnehmbar.

Hifi-Apps ermöglichen zur Korrektur das Hinterlegen von einer entsprechenden Datei zusätzlich zu den Kalibrierungsdateien der Mikrofone. Wichtig ist, dass diese Korrekturen auch für ein extern angeschlossenes Messmikrofon nötig sind, wenn die Kopfhörerbuchse verwendet wird. Bei Verwendung eines externen Wandlers via USB spielen sie keine Rolle. Glücklicherweise bieten die 16 Bit Samplingtiefe des Signals viel Reserven für Korrekturen: Rechnerisch 20 * log(2^16) = 96 dB Dynamik, davon sind praktisch sicherlich immer noch 40 oder 50 dB verwertbar. Die obersten 20 dB fallen weg, da manche Geräte bei hohem Schalldruck eine Dynamikkompression durchführen, die untersten 20 dB fallen durch Quantisierungsrauschen und Rauschen der Elektronik im Gerät weg, außerdem ist die Aussteuerung bei der Messung mit einer gewissen Unsicherheit behaftet.

Manche Smartphones verwenden mehrere Mikrofone um bei Gesprächen Umgebungsgeräusche und Nutzsignal voneinander zu trennen. Diese elektronische Aufbereitung ist für Messungen kontraproduktiv, Hifi-Apps greift deshalb auf das Roh-Signal des Mikrofons zu. Da nicht garantiert werden kann, dass jedes Gerät diesen Zugriff korrekt bedient, können im Setup mehrere Möglichkeiten des Audio-Inputs ausgewählt werden.

Diffuse-Field Calibration mit Hausmitteln

Die Apps biete die Option das interne Mikrofon des Android Gerätes gegen ein Messmikrofon zu eichen. Dazu ist neben einem (geliehenen) Messmikrofon ein Verstärker mit zwei Lautsprechern in einem durchschnittlichen Wohnraum erforderlich. Die gesamte Prozedur dauert etwa 20 Minuten:

  • Sofern es eine Datei mit Kalibrierungsdaten für das Messmikrofon gibt, richten Sie das Mikrofon in der App ein.
  • Verbinden Sie das Android Gerät mit dem Messmikrofon.
  • Verbinden Sie das Android Gerät mit dem Verstärker und stellen Sie sich zum Messen an einen Hörplatz, der gleich weit von beiden Boxen entfernt ist.
  • Machen Sie jeweils eine Messung mit dem Messmikrofon und dem internen Mikrofon unter sonst möglichst gleichen Bedingungen.
  • Wenn Sie mit den Messungen zufrieden sind, wählen Sie jetzt "Mikrofon Eichung" und dort Ihre beiden Messungen.
  • Hifi-Apps berechnen aus der Differenz die Eichkurve.

Welche Genauigkeit ist zu erwarten?

Die folgenden Bilder zeigen als Beispiel den gemessenen Frequenzgang am Hörplatz in einem gut gedämmten Raum. Die blauen Kurven wurden mit dem ungeeichten internen Mikrofon eines CAT S60 Handys aufgenommen, die schwarzen mit einem Audix TM1 Messmikrofon. Das Mikrofon wurde jeweils 10 cm nach vorne, hinten, seitlich und oben verschoben, deshalb die verschiedenen Kurven. Die beiden Helligkeitsstufen stehen für die beiden Stereo Kanäle. Die rote Kurve zeigt die Eichkurve des CAT Mikrofons, sie wurde per Nahfeldaufnahme ermittelt.

Bei einem der beiden Lautsprecher wurde das Dämmmaterial aus dem Mitteltönergehäuse entfernt, um einen leichten Defekt zu simulieren. Die Frequenzgänge laufen deshalb bei ca. 200 bis 300 Hz deutlich und bei der ersten Harmonischen um 500 Hz sichtbar auseinander. Der Fehler ist bei der Handy Messung sogar besser zu erkennen, vermutlich weil durch die Richtcharakteristik der Direktschallanteil etwas größer ist. Das Messmikrofon reagiert empfindlicher auf die Raumeinflüsse.

Die automatisierte Interpretation von Hifi-Apps würde bei beiden Mikrofonen folgende Information liefern:

  • Probleme bei der Kanalgleichheit im Bereich 200 bis 300 Hz
  • Welligkeit im Bassbereich akzeptabel, die Raumresonanzen liegen unter 10 dB. Damit zeigt sich, dass bereits umfassende Dämmmaßnahmen getroffen wurden, mehr ist nicht nötig.
  • Auslöschung bei 126 Hz, vielleicht ein Floor Bounce. Genaueres würde durch den Vergleich mit Messungen an anderen Plätzen berechnet werden.
  • Frequenzverlauf im Mittenbereich akzeptabel
  • Zusätzliche Information aus der Impulsantwort (hier nicht dargestellt) über die Nachhall Charakteristik des Raumes.
  • Ebenso hier nicht dargestellt sind Kammfiltereffekte, aus denen zusammen mit der Impulsantwort Schlüsse über das LEV gezogen werden kann.
Das interne Mikrofon liefert nach der Eichung zusätzlich:
  • Vorschläge zur Einstellung eines Equalizers bis ca. 5 kHz.
Und ausschließlich per Messmikrofon:
  • Sichere Information über den Bereich unterhalb von 40 Hz.
  • Einbruch bei 7 kHz (beabsichtigt, De-Esser). Bei der Aufnahme mit ungeeichtem Mikrofon ist dieser zwar ebenfalls sichtbar, könnte aber auch ein Artefakt des Mikrofons sein. Auch ein geeichtes Handy Mikrofon reagiert in diesem zu empfindlich auf die Lage des Handy Gehäuses.
  • Höhenabfall. Die Lautsprecher haben rundum strahlende haben Plasma Hochtöner, deren Frequenzverlauf bei allen Messungen wesentlich stärker abfällt als der Höreindruck vermuten lässt. Generell ist am Hörplatz keine Linearität sondern ab ca. 5 kHz ein Abfall um wenige dB zu erwarten, ähnlich wie von einem entfernten Blitz nur das tiefe Donnergrollen hörbar bleibt. Im Allgemeinen wird in Zusammenhang mit diesem Effekt von Dispersion gesprochen.
  • Vorschläge zur Einstellung von Höhenreglern, sofern die Lautsprecher welche haben.
  • Vorschläge zur Einstellung eines Equalizers über den gesamten Frequenzbereich.
  • Vergleichbarkeit mit anderen Systemen, somit mehr Erfahrungsaustausch zwischen Experimentatoren.
Im Verhältnis zu anderen untersuchten Mikrofonen [faberacoustical], [Krump], [technical-direct], [hifi-selbstbau.de] ist der Frequenzverlauf des CAT S60 im unteren Bereich nur bis ca. 1000 Hz verhältnismäßig linear, danach eher unterdurchschnittlich gut. Im Extremfall muss man allerdings schon unterhalb von 150 Hz mit einem gewissen Abfall rechnen, dieser ist dann aber so gleichmäßig, dass typische Boden- und Wandreflexionen im Bereich ab 80 Hz erkennbar bleiben. Oberhalb von 5 kHz sind bei fast allen Handys nur noch Vergleichsmessungen, bei denen sich die Fehler aufheben möglich. Schallwellenlänge und Gehäusedimensionen liegen hier viel zu dicht beieinander.

Bei allen untersuchten Geräten wird die für die Sprachübertragung wichtige Dekade von 200-2000 Hz sehr gut abgebildet. Die Abweichungen sind hier in den meisten Fällen besser als beim CAT S60, oft sogar im 2 dB Bereich. Bis 5 kHz bleibt es in allen Fällen "noch ganz ordentlich": Die Empfindlichkeit steigt manchmal, bleibt aber (nahezu) monoton. Im Bereich darüber sind erhebliche Schwankungen möglich. Beim ungeeichten Android Mikrofon ist im Bereich von 50 Hz bis 5 kHz eine "gutmütige" Kurve zu erwarten, d.h. innerhalb einer beliebig gewählten Oktave werden sich die Schwankungen in einem Korridor von +/- 3dB Breite beschränken.

Richtcharakteristik
Für Raummessungen werden i.d.R. Messmikrofone mit Kugelcharakteristik verwendet. Das Handy Mikrofon hat dagegen eine richtungsabhängige Charakteristik. Bei Telefonaten soll es möglichst wenig Umgebungsgeräusche aufnehmen. Dadurch werden Reflexionen von den Wänden schwächer gewichtet. Verschiedene Versuchsreihen haben gezeigt, dass leicht seitliches Drehen um "möglichst geschickt" einen Teil der Raumreflexionen einzufangen, keine reproduzierbaren Ergebnisse liefert. Das Gerät muss bei jeder Messung in Blickrichtung des Hörers gerichtet sein. Letztlich wird der Direktschall der Lautsprecher etwas stärker bewertet, was einen Vergleich von Messungen verschiedener Geräte unmöglich macht. Messungen mit dem selben Gerät können natürlich verglichen werden.

Abschätzung der Unsicherheiten

In diesem Kapitel werden die systematischen und statistischen Fehler bei der Kalibrierung nach obigem Rezept abgeschätzt. Ohne Fehlerabschätzung wären die Messergebnisse nicht verwendbar.

Hinweis
Bitte denken Sie daran, dass auch ein Messmikrofon über die Jahre seine Charakteristik geändert haben könnte. Im Privatbereich sind regelmäßige Neueichungen wie unter Laborbedingungen sicher nicht angemessen. Eine gelegentliche Vergleichsmessung mit einem (geliehenen) zweiten Messmikrofon oder die Reproduktion einer alten Messung kann aber nicht schaden. Andernfalls läuft man Gefahr, über Jahre falsche Messergebnisse zu produzieren ohne es zu merken.

Die Messung im Diffusfeld eines Wohnraumes unterliegt dem "Fluch der vielen Parameter". Änderungen der Mikrofonposition um wenige cm führen zu stark unterschiedlichen Ergebnissen. Hauptgrund sind die Wechselwirkungen der verschiedenen Reflexionen. Dadurch werden Mittelwertbildung und/oder Aufbereitung der Ergebnisse mit bestimmten Glättungsalgorithmen nötig.

Um sicher zu stellen, dass die so bearbeiteten Ergebnisse nicht nur "geschönt" sondern auch zur Kalibrierung brauchbar sind, werden sie hier mit Messungen im Freifeld und Druck-Messungen verglichen. Bei genau definierten Verhältnissen ist die Umrechnung der Methoden ineinander mit Genauigkeiten von weniger als 1 dB möglich [Milhomem], [Jacketta].

Führendes Prinzip war, Schallquellen zu finden, deren Frequenzgang über einige Oktaven a) ohne jede Glättung keine sichtbaren Kammfilter Effekte durch Reflexionen aufweist und b) nicht von kleinen Lageänderungen des Mikrofon abhängt. In diesen Bereichen wurden die per Handy und Messmikrofon gemessenen Ergebnisse verglichen, so dass sich die Unterschiede der Frequenzgänge für Freifeld und Druck zusammensetzen ließen. Diese wurden dann wiederum mit den Ergebnissen des oben beschriebenen Rezeptes verglichen.

Für den Tieftonbereich wurde ein sog. Linkwitz Dipol verwendet. Dieser konnte wahlweise durch Auflegen einer abgedichteten Platte auf den Schallaustritt geschlossen werden. Dadurch wurde zwei Messreihen möglich: Zum einen am geöffneten System in der Mündung, um ein Freifeld nachzuahmen, zum anderen im geschlossenen System. Ersteres scheint für den Bassbereich möglich, weil die betrachteten Wellenlängen erheblich größer sind als die Schallaustrittsöffnung. Man kann also davon ausgehen, dass der Luftstrom dort verhältnismäßig gleichmäßig ist. Ebenso sollte im geschlossenen System durch die lange Wellenlänge im Bassbereich ein gleichmäßiger Druck herrschen. Verifiziert wurde diese Thesen durch jeweils mindestens sechs, oft erheblich mehr Messungen mit unterschiedlichen Mikrofonpositionen.

linkwitz dipol linkwitz dipol

Linkwitz Dipol mit zwei 30 cm IMG Stage Line SP-12A/302PA Chassis. In der Mitte ist bequem Platz für ein Handy.
Die Messungen erfolgten mit einem 2 sek. langen Logsweep mit 20 - 20kHz. Für das interne Mikrofon wurde wieder das CAT S60 Handy verwendet, als Messmikrofon ein kalibriertes Audix TM1. Der Anschluss erfolgte über einen iRig PRE Vorverstärker an die Klinkenbuchse. Die oben erwähnte Frequenzkorrektur wurde mit berücksichtigt. Insgesamt ergab sich folgendes Bild: linkwitz dipol

Vergleich der Frequenzgänge eines internen Handy-Mikrofons mit einem Messmikrofon im Inneren des Gehäuses eines Linkwitz Dipols. Die roten Kurven zeigen die Differenzen in dB.

Um ein Freifeld im Mitteltonbereich zu simulieren wurde ein Expolinear Görlich Mitteltöner verwendet. Die bei diesem Chassis eingesetzte besonders steife Sandwich Membran sollte ein möglichst gleichmäßiges Wellenfeld zur Simulation eines Freifeldes erzeugen.

loopback cable

Expolinear Görlich TT 130 G Tiefmitteltöner der über einen Spannungsteiler an eine Lamm 1.2 Reference Endstufe angeschlossen wurde. Als Gehäuse diente ein Block aus massivem Beton mit einer Röhre mit ca. 34 cm Länge und 12 cm Durchmesser.
Tatsächlich zeigt sich, dass die ermittelten Frequenzgänge im Bereich 120 bis 2000 Hz sowohl beim Handy als auch beim Messmikrofon kaum von der Lage des Mikrofons abhängen. Die Änderungen sind im Verhältnis zur unterschiedlichen Charakteristik der Mikrofone nicht signifikant. Im Bild sind die Frequenzgänge analog zu den ersten Messungen dargestellt: Blau sind verschiedene Frequenzgänge aus der Handy-Messung, schwarz die per TM1 ermittelten. Rot ist die aus der Differenz der Mittelwerte gebildete Kalbrierungskurve. Die unterschiedlichen Amplituden kommen durch die unterschiedlichen Entfernungen des Hands von der Membran zustande. Man erkennt, dass sich die Charakteristik selbst in einem 15 dB schwächeren Schallfeld nicht ändert. Die Daten von 6 Messungen des TM1 weichen im betrachteten Bereich ebenfalls kaum voneinander ab, hier ist der Mittelwert dargestellt. Für die Messungen wurde das Dämmmaterial aus dem (nach hinten offenen) Gehäuse entfernt, dadurch entstand die deutlich sichtbare Resonanz bei 200 Hz. Für Druckmessungen wurde keine Möglichkeit gefunden. Messungen im verschlossenen Gehäuse des Mitteltöners lieferten keine zuverlässigen Ergebnisse. FR Expolinear Goerlich
Im Hochtonbereich wurden zunächst einige Versuche im Nahfeld verschiedener großflächiger Elektrostaten, Magnetostaten, Bändchen und Air-Motion Transformer gestartet, deren Ergebnisse alle enttäuschend waren. Offenbar ist eine freie, punktförmige Quelle die bessere Wahl. Deshalb wurden die Versuche mit unterschiedlichen Plasma- Hochtönern forgesetzt. Plasma Hochtöner arbeiten ohne mechanische Teile durch Ionisierung der Luft, d.h. das Nahfeld ist nicht durch Wellenpropagation in einem schwingenden Medium verfälscht. Tatsächlich ergaben Frequenzgang und Impulsantwort erheblich klarere Frequezgänge als bei den anderen Hochtönern.
loopback cable

Breitband Plasma Lautsprecher als nahezu ideal punktförmige Schallquelle für den Bereich oberhalb von 2000 Hz. Etwas oberhalb der Bildmitte ist die violett leuchtende Entladung sichtbar. Auf den 4 MHz Träger wird die Musikfrequenz moduliert. Für den Musikgenuss sind die Lautsprecher wegen des geringen Pegels und der Entladungsgeräusche nicht einsetzbar, produzieren aber probehalber angespielt eine beeindruckende Ortung und Bühne.
Die Ergebnisse sind wiederum analog zur ersten Messung ohne jede Glättung dargestellt. Typisch für Plasmahochtöner ist der jedem konventionellen System überlegene Frequenzverlauf, da keine mechanischen Medien im Einsatz sind. Man erkennt, dass das Handy Mikrofon in diesem Bereich vermutlich durch Reflexionen am Gehäuse an seine Grenzen kommt. Bei ca. 14 kHz ändert sich der Schalldruck auch stark (ca. 10 dB) je nach Messung, d.h. er hängt stark von der Lage des Gerätes ab. In diesem Bereich wäre auch eine Mikrofoneichung nicht zielführend. plasma tweeter

Ergebnis

Fügt man die Bereiche der verschiedenen Nahfeld Messungen aneinander, so ergibt sich folgendes Bild für die Eichkurve:

calibration comparison

Die hellgrüne bzw. dunkelgrüne Kurve stammen Daten aus dem geschlossenen bzw. offenen Linkwitz-Dipols, die blaue Kurve wurde im Nahfeld des Görlich Mitteltöners gemessen und die braune Kurve stammt von Messungen am Plasma Hochtöner.

Im Bereich von 80 bis ca. 4000 Hz werden die signifikanten Fehler des Handy Mikrofons von allen Messungen ähnlich erfasst. Die Kurven steigen in diesem Bereich ungefähr um 10 dB. Die Abweichung der Kurven untereinander ist dagegen erheblich geringer. Unterhalb von 80 Hz verringert sich die Genauigkeit. Der Bereich oberhalb von 4000 Hz ist wie oben bereits erörtert, nicht zuverlässig genug für Messungen. Er sollte nur zur Orientierung verwendet werden, z.B. um gezielt Hörtests zu generieren.

Im Bereich bis 4000 Hz verläuft die Kurve insgesamt sehr glatt. Insofern erscheint es angemessen, auch die am Hörplatz aufgenommenen Kurven mit einer Oktave Bandbreite zu glätten.

Bildet man bei den zusammen gefügten Kurven in den überlappenden Bereichen den Mittelwert und glättet das Ergebnis mit einer Oktave Bandbreite, so ergibt sich zusammen mit den am Hörplatz gemessenen Werten folgendes Bild:

calibration comparison

Die schwarze Kurve ist das Resultat der zusammengefügten Nahfeldmessungen, die dünne Kurven in rot und grün sind nach obigem Rezept am Hörplatz aufgenommenen. Deren über eine Oktave geglätteter Mittelwert ist in blau dargestellt. Ab 200 Hz bis etwa 4000 Hz ist eine hervorragende Übereinstimmung erkennbar - die Abweichungen liegen im Bereich von 1 oder 2 dB. Die Schwankungen der ungeglätteten Kurven scheinen sich sich gegenseitig zu kompensieren. Da nicht davon ausgegangen werden kann, dass das immer der Fall ist, wird der Fehler im Kasten "Fazit" sehr konservativ abgeschätzt.

Fazit

Nahfeldmessungen zeigen, dass der Frequenzgang des Handy Mikrofons von 80 bis etwa 4000 Hz zwar nicht linear aber recht "gutmütig" ist: Es tauchen keinerlei Schwankungen auf, die als korrekturbedürftige Raumeffekte missverstanden werden könnten: Die Schwankungen liegen bei maximal 5 dB pro Oktave und 10 dB über alle Werte, meist erheblich darunter.

Unterhalb von 80 Hz ist der Frequenzgang gradlinig genug, um die typische korrekturbedürftige Raumeffekte mit Bandbreiten unter einer Oktave und Amplituden über 10 dB noch sicher zu erkennen. Eine quantitative Auswertung ist aber nicht möglich. Oberhalb von 4000 Hz ist der Frequenzgang des eingebauten Mikrofons trotz Korrektur nicht mehr zuverlässig.

Die Eichung am Hörplatz nach obigem Rezept verringert diese Unsicherheit erheblich. Werden mit einem so geeichten Mikrofon immer noch Abweichungen von 10 dB oder mehr im genannten Frequenzbereich festgestellt, ist das nicht mehr auf das Mikrofon zurückzuführen. Ein Messmikrofon wird dann gleichartige Abweichungen erfassen.


Literatur

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Richard J Jacketta, Conference Paper inter.noise 2012

[Krump] Akustische Messmöglichkeiten mit Smartphones Gerhard Krump DAGA 2012 - Darmstadt

[Milhomem] Electroacoustics and Audio Engineering: Paper ICA2016-147 An investigation ondiffuse-field calibration of measurement microphones by the reciprocity technique Thiago Antônio B. Milhomem(a), Zemar Martins D. Soares(b), Ricardo Eduardo Musafir(c) PROCEEDINGS of the 22ndInternational Congress on Acoustics ICA 2016 [Nedzelnitsky] Laboratory Microphone Calibration Methos at the National Institute of Standards and Technology, U.S.A. https://www.nist.gov/sites/default/files/documents/calibrations/aip-ch8.pdf

[technical-direct] Smartphone User Experience Analysis – Audio (II) 2016 http://www.technical-direct.com/en/smartphone-user-experience-analysis-audio-ii/

[Tipton] DIY Microphone Calibration By Ron Tipton http://www.tdl-tech.com/miccalax.pdf

[Ossietzky] https://d-nb.info/989266540/34 Free-field Reciprocity Calibration of Condenser Microphones in the LowUltrasonic Frequency Range Von der Fakultät für Mathematik und Naturwissenschaftender Carl von Ossietzky Universität Oldenburgzur Erlangung des Grades und Titels eines Doktors der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.)angenommene Dissertation von Nourreddine BOUAOUA Geboren am 15. Dezember 1975in Algier (Algerien)

[Walber] https://www.audioxpress.com/article/acoustic-methods-of-microphone-calibration Acoustic Methods of Microphone Calibration by Chad Walber This article was originally published in Voice Coil, September 2017.

[Wikipedia] https://en.wikipedia.org/wiki/Measurement_microphone_calibration